Die von der Bischofssynode schon in ihrem Vorfeld ausgelöste Dynamik zeigte sich besonders nachdrücklich in einem Text, den der belgische Bischof Johan Bonny (Antwerpen) im September 2014 veröffentlichte. Der Bischof, durch seine frühere Tätigkeit in Rom als Mitarbeiter des Einheitsrats weltkirchlich gut vernetzt, hatte darin im Blick auf die bevorstehende Synodentagung mit erfreulicher Klarheit schwerwiegende strukturelle und inhaltliche Defizite in der katholischen Kirche angesprochen: Die unzulängliche Verwirklichung der bischöflichen Kollegialität, die Unterbelichtung des persönlichen Gewissens und das verengte Verständnis von kirchlicher Lehre. Offensichtlich beginnen sich zumindest einzelne Bischöfe, ermutigt durch die Amtsführung von Papst Franziskus, von gewissen Zwängen zu emanzipieren, die sich in den letzten Jahrzehnten im innerkirchlichen Umgang ausgebildet haben. Es ist kein Zufall, dass Bischof Bonny in seinem Memorandum immer wieder auf das programmatische Apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ des Papstes verweist.

Das von diesem festgelegte Thema für die „Doppelsynode“ 2014/15 hat es in sich und ist in der katholischen Kirche wesentlich kontroverser als die Fragen, mit denen sich die vorausgegangenen Synoden zu beschäftigen hatten. Das belegen die anhaltenden Debatten um den Status der wiederverheirateten Geschiedenen, vor allem aber auch die heftigen Attacken, die von Teilen des Episkopats, der Theologie und auch bestimmter Kreise katholischer Laien seit einiger Zeit gegen die vermeintliche Bedrohung durch den „Genderismus“ mit seiner Untergrabung der Geschlechteridentät geführt werden. Er gilt für sie sozusagen als der Erbfeind der kirchlichen Lehre über Ehe und Familie. In diesen Zusammenhang gehört auch der innerkirchliche Dauerstreit um das Thema Homosexualität beziehungsweise um die Bewertung gleichgeschlechtlicher Beziehungen.

Die katholische Lehre über Ehe und Familie ist nach wie vor durch die Hypothek der von Papst Paul VI. (1963-1978) 1968 vorgelegten Enzyklika „Humanae vitae“ beziehungsweise ihrer Aussagen zur Geburtenregelung belastet. Bischof Bonny weist in seinem Text zur Bischofssynode nochmals auf das entscheidende Defizit der Enzyklika hin: Die Entscheidung Pauls VI. habe inhaltlich quer gestanden „zu dem Votum der Expertenkommission, die er selbst ernannt hatte, der Kardinals- und Bischofskommission, die sich mit dieser Frage befasst hatte, des Weltkongresses der Laien (1967), der großen Mehrheit der Moraltheologen, Ärzte und Wissenschaftler sowie der meisten engagierten Katholiken, sicher derer bei uns“. Dessen ungeachtet hat das römisch-katholische Lehramt in der Folgezeit die Enzyklika mit ihrem Verbot „künstlicher“ Methoden der Geburtenregelung immer wieder entschieden bekräftigt, so beispielsweise im Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ Johannes Pauls II. von 1981 sowie im 1992 promulgierten „Katechismus der Katholischen Kirche“. Bei der Bischofssynode vom Herbst 1980, die sich ebenfalls mit dem Thema Familie beschäftigt hatte, gab es von bischöflicher Seite zumindest vorsichtige Versuche, eine neue Diskussion über „Humanae vitae“ anzustoßen; sie drangen allerdings nicht durch.

Auch bei der Außerordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode gab es jetzt in Sachen „Humanae vitae“ kaum Bewegung; die Lehre der Enzyklika über „natürliche“ und „künstliche“ Methoden der Geburtenregelung wurde zumindest nach Ausweis des veröffentlichten Materials von keiner Seite direkt angefragt oder gar kritisiert. In der „Relatio post disceptationem“, dem Bericht, in dem Kardinal Péter Erdö (Erzbischof von Esztergom-Budapest) die Ergebnisse der Aussprache der ersten Tage im Plenum zusammenfasste, und in der abschließenden „Relatio Synodi“, über die abschnittsweise abgestimmt wurde, findet sich eine gleichlautende Formulierung zu dem Dauerproblem der offiziellen katholischen Sexualmoral: Es wird zu einer Wiederaneignung der Enzyklika Pauls VI. aufgerufen, die die Notwendigkeit unterstreiche, bei der moralischen Bewertung der Methoden der Geburtenregelung die Würde der Person zu respektieren.